Pressetext

"Man sucht mit zwanzig, mit dreißig weiß man, was man will, sagt Mama." Hier erzählt eine Frau, der es umgekehrt ergeht und die es sich trotz Mama, trotz gerunzelter Brauen in sämtlichen Freundesgesichtern leistet, mit dreißig die achtbare, maßvoll kreative Karriere hochzuklappen und noch einmal suchen zu gehen; vor allem, zur eigenen Rundum-Unlust ja zu sagen – auszusteigen oder daneben zu steigen. Erst einmal reist sie ab: nach Griechenland, wo die Vernünftigen aus der Heimat ihr komisch-vernünftige Besuche abstatten. Aber letztlich spielt sich die Reise nicht auf der Landkarte ab ... Margrit Irgang zeigt uns, dass die Suche nach sich selbst nicht wie ein langes Klagelied verlaufen muss.

Leseprobe

Ich habe das System wieder einmal gründlich missverstanden. Obwohl ich doch seit vierzehn Jahren arbeite, fünftausendeinhundertzehn Tage minus fünfzehn Tage Urlaub pro Jahr und, sagen wir, je drei Krankheitstage, also viertausendachthundertachtundfünfzig Tage. Viertausendachthundertachtundfünfzig Mal bin ich aufgestanden, je nach Firmenbrauch um sechs, halb sieben oder sieben, habe zu hastig gefrühstückt und versucht, einen immer zu alten Wagen in Gang zu bringen. Viertausendachthundertachtundfünfzig Mal habe ich acht bis zehn Stunden lang etwas gemacht, das mir auf Anraten von klügeren Leuten als Beruf geliefert wurde, den umzutauschen ich nicht die Frechheit besaß. Zahlen dieser Größenordnung verursachen mir Übelkeit. Jeder Mensch hat seinen eigenen Rhythmus, ich weiß das aus der Zeitung. Und außerdem sind da Tausende Bücher, die ich gerne noch lesen will. Gedanken dieser Art gefährden das Gleichgewicht, besonders das der anderen. Wehret den Anfängen! Du hast noch so viel Zeit vor dir! belehren mich Mutter, Tante und Onkel. Woher wissen sie denn das? Als ich Kind war, verlegten sie mir den Spaß in die Zukunft: Wenn du mal größer bist. Jetzt renne ich herum mit einem Sack voller uneingelöster Versprechungen. Da muss man ja misstrauisch werden mit der Zeit.